Werte, die zählen: Wie agiles Projektmanagement den Projekterfolg steigert!
- Michael Flum
- 12. Sept. 2024
- 5 Min. Lesezeit
Warum agiles Projektmanagement als Alternative den klassischen Methoden überlegen ist, haben wir im Beitrag "Warum agiles Projektmanagement eine Option sein könnte" bereits erläutert.
Doch was bedeutet es eigentlich, agil zu arbeiten? Welche Werte liegen dem agilen Projektmanagement zugrunde, und wie können sie den Erfolg von Projekten beeinflussen? Um diese Fragen zu beantworten, hat sich unsere Content - Redaktion mit unserem Michael Flum, einem erfahrenen Senior Advisor unterhalten, der seit vielen Jahren das agile Projektmanagement und agile Methoden praktiziert. Michael hat seine Praxiserfahrung geteilt und erläutert, warum ein agiles Mindset das Fundament erfolgreicher Teams ist.
Hallo Michael, was sind eigentlich die größten Unterschiede zwischen klassischem und agilem Projektmanagement?
Das klassische Projektmanagement basiert auf einem linearen und plangetriebenen Ansatz, bei dem das Projekt in Phasen unterteilt wird, die nacheinander abgearbeitet werden. Das agile Projektmanagement hingegen basiert auf einem iterativen und wertgetriebenen Ansatz, bei dem das Projekt in kleine und überschaubare Teile zerlegt wird, die in kurzen Zyklen umgesetzt und getestet werden. Das ermöglicht eine schnelle Anpassung an veränderte Anforderungen, eine höhere Transparenz und eine bessere Zusammenarbeit im Team und mit den Kunden.
Ein Beispiel: In einem klassischen Projekt für die Entwicklung einer neuen Webapplikation hatten wir einen detaillierten Anforderungskatalog, einen festen Zeitplan und ein festes Budget. Wir arbeiteten hart daran, alle Anforderungen zu erfüllen, aber kurz vor dem Launch stellten wir fest, dass die App nicht mit älteren Browsern kompatibel war. Wir mussten alles umschreiben, was zu Verzögerungen und Kostenüberschreitungen führte. Bei einem agilen Ansatz hätten wir die App in kleinen Schritten entwickelt und regelmäßig getestet, um solche Probleme frühzeitig zu erkennen und zu beheben.
Und warum scheuen sich viele Unternehmen dennoch vor der Implementierung agiler Methoden?
Weil in den meisten Unternehmen die Angst vor dem Scheitern besteht. Es gibt tatsächlich viele Gründe, warum die Implementierung agiler Methoden nicht gelingt. Der aus meiner Sicht häufigste ist, dass in Unternehmen die Werte und Prinzipien des agilen Projektmanagements nicht wirklich verstanden oder gelebt werden. Viele Verantwortliche denken, dass es ausreicht, ein paar agile Methoden wie Scrum oder Kanban einzuführen, ohne jedoch die zugrundeliegende Philosophie zu berücksichtigen. Das führt oft zu Widerständen, Konflikten und Frustrationen im Team und bei den Stakeholdern.
Agiles Projektmanagement erfordert eine grundlegende Veränderung der Denk- und Arbeitsweise, die nicht von heute auf morgen geschehen kann. Es braucht einige Zeit, viel Engagement und aktive Lernbereitschaft, um ein agiles Mindset zu etablieren und zu pflegen.
Da sind wir schon bei einer zentralen Frage: Was sind zentrale Werte im agilen Projektmanagements und warum sind sie so wichtig?
Die zentralen Werte des agilen Projektmanagements stammen ursprünglich aus Scrum, der wohl bekanntesten aller agilen Methoden, entwickelt bereits in den frühen 90er Jahren. Es handelt sich dabei um eine Reihe von Eigenschaften, die möglichst alle Projektbeteiligten mitbringen oder im Verlauf entwickeln sollten: Mut, Offenheit, Respekt, Fokus und Commitment. Diese Werte sind deshalb so wichtig, weil sie die Grundhaltung und die Kultur des agilen Projektmanagements widerspiegeln. Sie stellen sicher, dass es nicht nur um Methoden und Techniken geht, sondern vor allem um Menschen und deren Zusammenarbeit.
Ohne die Bereitschaft jedes Einzelnen, z.B. offen und ehrlich über Fehler zu sprechen und Lernchancen für alle daraus abzuleiten, oder sich voll und ganz auf die übernommenen Arbeitsaufträge und die gemeinsam formulierten Ziele zu fokussieren und damit seinen Beitrag für den Gesamterfolg zu leisten, bleibt es am Ende nur ein oberflächliches „Agilitäts-Theater“: Jeder spielt dann bestenfalls seine Rolle gemäß Drehbuch, ohne das eigentliche Potenzial auszuschöpfen.
Ok, das ist verstanden. Aber wie fördert man nun am besten das agile Mindset im Unternehmen?
Es beginnt mit der Bildung und kontinuierlichen Stärkung eines gemeinsamen Verständnisses der Werte und Prinzipien im agilen Kontext. Trainings und Coachings können dabei helfen, entscheidend aber ist das tägliche Leben und Erleben. Dazu braucht es die Freiheit und das Vertrauen, die agilen Methoden selbst auszuprobieren und zu gestalten. Schließlich ist es wichtig, die Erfolge und Herausforderungen des agilen Projektalltags regelmäßig zu reflektieren, um die kontinuierliche Verbesserung zu fördern und zu feiern.
Eine Empfehlung: Führe tägliche Stand-up-Meetings ein, bei denen jedes Teammitglied kurz berichtet, was es gestern gemacht hat, was es heute machen will und welche Hindernisse es gibt. Diese Meetings fördern die Kommunikation, die Transparenz und die Zusammenarbeit im Team. Sie helfen auch, Probleme frühzeitig zu erkennen und zu lösen. Du wirst überrascht sein, wie sich der Team-Spirit und die Performance positiv verändern werden.
Kannst Du uns ein konkretes Beispiel geben, wie agiles Projektmanagement den Projekterfolg steigern kann?
Gerne! In einem Projekt zur Weiterentwicklung einer mobilen App für die Außendienststeuerung in einem Dienstleistungsunternehmen entschieden wir uns für einen agilen Ansatz. Wir bauten immer wieder eine überschaubare Anzahl neuer Funktionen in die App ein, lieferten ein Update aus und erhielten frühzeitig Feedback von echten Nutzern. Diese Rückmeldungen halfen uns, die App iterativ zu verbessern und genau auf die Bedürfnisse der Nutzer abzustimmen.
In einer ersten Version hatten wir beispielsweise eine Funktion zur Erfassung der Wegzeit zu einem Arbeitsort. Das Feedback der Nutzer war jedoch, dass sie dies nicht nutzen wollten, weil es zu umständlich, zu „fummelig“ war. Wir entschieden uns, die Erfassung mittels einer Stoppuhr-Funktion umzubauen. Das Feedback der Nutzer war diesmal durchweg positiv, weil mit nur zwei Tasten die Zeit automatisch ermittelt wurde. Wir hatten also eine wertvolle Erkenntnis gewonnen, die wir in einem klassischen Projekt erst ganz am Ende der Entwicklungszeit gehabt hätten. Nach diesem Prinzip haben wir innerhalb von sechs Monaten die App um eine Reihe von smarten Funktionen erweitert, die von den Nutzern begeistert angenommen wurden und die Motivation zur Nutzung der App insgesamt massiv gesteigert hat.
Damit könnten wir das Interview eigentlich sehr positiv beenden, aber gibt es auch typische Stolpersteine bei der Einführung agiler Methoden? Falls ja, wie kann man sie vermeiden?
Allerdings. Ich nenne hier mal zwei Beispiele, die mir immer wieder begegnen:
Das Fehlen einer klaren Vision und eines gemeinsamen Verständnisses für das Projektziel und den Projektumfang. Das kann zu Verwirrung, Konflikten und ineffizientem Arbeiten führen. Daher ist es wichtig, zu Beginn des Projekts eine klare und eindeutige Vision zu formulieren und zu kommunizieren, die alle Stakeholder einbezieht und inspiriert.
Das Festhalten an alten Gewohnheiten und Strukturen, die dem agilen Projektmanagement entgegenstehen. Das kann zu Widerständen, Ängsten und Blockaden führen. Um das zu vermeiden, sollte man eine offene und lernende Haltung fördern, die Veränderungen als Chancen und nicht als Bedrohungen sieht. Man sollte auch die bestehenden Prozesse und Werkzeuge kritisch hinterfragen und anpassen, um sie mit den agilen Werten und Prinzipien in Einklang zu bringen.
OK, wir versuchen das mal zusammenzufassen...
Agiles Projektmanagement ist heute eine unverzichtbare Methode für die Planung, Steuerung und Umsetzung komplexer IT-Projekte. Diese Herangehensweise stellt den Menschen, den Kunden und den Wert ins Zentrum und ermöglicht so eine flexible Anpassung an veränderte Anforderungen, hohe Transparenz und eine verbesserte Zusammenarbeit im Team sowie mit Stakeholdern. Um das volle Potenzial auszuschöpfen, ist jedoch ein grundlegender Wandel der Denk- und Arbeitsweise erforderlich. Unternehmen, die bereit sind, diesen Weg zu gehen, profitieren von erhöhter Anpassungsfähigkeit und gesteigerter Wettbewerbsfähigkeit. Die Investition in eine Veränderung des Mindsets ist somit eine strategische Entscheidung, die langfristig den Erfolg des gesamten Unternehmens sichert.
Korrekt.
Danke für das Gespräch, Michael!
Gern.
--
Comments